Ökumenischer Pilgerweg
St. Jost im Fischbachtal

Historie


Der nachfolgende Artikel berichtet von der St. Jost-Kapelle, soweit sie derzeit in der Literatur greifbar wird. Mit Blick auf ältere Quellen, die bislang noch nicht näher untersucht wurden, soll zukünftig der untenstehende Artikel weiter ergänzt werden.

Die St. Jost-Kapelle in Niedernhausen

Die genaue Erbauungszeit der St. Jost Kapelle liegt im Dunkeln. Ihre Entstehung dürfte jedoch mit der Gründung der Ortschaft Niedernhausen verbunden sein. Die erste, heute bekannte urkundliche Erwähnung von Niedernhausen, stammt aus dem Jahr 1256. Die Urkunde stellt eine Schenkung von Besitztümern der Familie von Asbach in Hausen an das Kloster Himmelthal im Spessart aus, die damit ihre Tochter bzw. Nichte Elheidis ausstattete. Die Familie von Asbach gehörte dem niedrigen Adel an.
Es ist davon auszugehen, dass der Ort bereits eine geraume Zeit vorher entstanden sein muss, da es Zeit braucht, Höfe zu gründen und zu bewirtschaften. So gewinnt die Besiedlung des Odenwalds an Bedeutung, die durch das Kloster Fulda vorangetrieben wurde. Im Jahr 766 erlangt das Kloster Fulda den Besitz des Ortes Umstadt. Von dort aus wurde in der Folgezeit die Erschließung des vorderen Odenwaldes vorgenommen, die sich bis in das Fischbachtal erstreckt haben dürfte.

Die Siedlungen im Fischbachtal gehörten von Anfang an zum Kirchspiel Groß-Bieberau. Dies bedeutete für viele einen weiten Weg zur Kirche und zum sonntäglichen Gottesdienst. Die erste Erwähnung der anderen Siedlungen im Fischbachtal, gemäß den überlieferten Quellen, zeigt, dass ihre Entstehung zeitlich nicht sehr weit auseinander liegt: Nonrod wird 1306, Meßbach 1384 und Billings 1408 erstmals erwähnt.

Niedernhausen bildete mit Billings, Meßbach und Nonrod die so genannte „Waldhäuser Mark“, mit einer eigenen Markgerechtigkeit. Diese regelte das Verhältnis der „Märker“ zum Territorialherren, dem Landgrafen. Das jährliche Märkergericht, das sog. Thing, wurde in der Waldhäuser Mark abgehalten und alle Märker hatten daran teilzunehmen. Vom 21. September 1507 ist das Weistum erhalten, das die Rechtslage des Märkergerichts zu Niedernhausen unter Lichtenberg regelt. Der Ort, an dem in der Waldhäuser Mark Recht gesprochen wurde, war wahrscheinlich die St. Jost -Kapelle.

Die kleine Kapelle gehörte zur Pfarrei Groß-Bieberau und besaß einen eigenen Kaplan. Dieser betreute dort die Gläubigen und erhielt seine Einkünfte unter anderem aus dem Wiesenzins der Jostwiesen, der jährlich 30 Malter Korn und 4 Gulden betrug.

Es stellt sich die Frage, wie viel Einwohner Niedernhausen im ausgehenden Mittelalter besaß. Für die Zeit um 1500 sind 21 Haushaltsvorstände bekannt. So ist davon auszugehen, dass um 1500 in Niedernhausen etwa 100 Einwohner lebten. Eine solche ungefähre Zahl ist von Bedeutung, will man eine Vorstellung von den örtlichen Gegebenheiten dieser Zeit erhalten. Aus den erhaltenen Quellen ist bekannt, dass bereits 1436 eine St. Jostwiese existierte, deren Einkünfte an die Kellerei in Lichtenberg fielen. Zu dieser Zeit dürfte die Einwohnerzahl noch geringer gewesen sein. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die erhaltenen Fundamentreste der St. Jost-Kapelle uns heute klein erscheinen. Zur Zeit ihrer Erbauung reichte die Kapelle für die Gläubigen der Waldhäuser Mark aus, die anders als heute im Gottesdienst standen. Kirchenbänke gab es nicht.

Im Jahr 1526 änderte sich mit der Einführung der Reformation in der Landgrafschaft Hessen durch Philipp den Großmütigen die Bedeutung der kleinen Kapellen. Die kleineren Kapellen, die Pfarreien unterstanden wurden aufgelöst und mit deren Einkünften die neuen Einrichtungen, wie die Universität Marburg und die vier Hospitäler finanziert.

Die Einkünfte, die mit den Jostwiesen zusammenhingen, gingen je zur Hälfte an das Hospital Hofheim (Goddelau) und die Kellerei in Lichtenberg erhalten. Angeblich wurde bis 1902 für das Spitalfeld ein Jahreszins von „3 Kreuzern, einem Huhn und sieben Simmer Korn“ von den Bauern aus Niedernhausen nach Goddelau abgeführt. Ältere Bewohner Niedernhausens können sich noch an zwei Wiesen erinnern, die vor und hinter der Jostkapelle gelegen haben und den Flurnamen Jostwiesen tragen. Auch in der Geologischen Karte des Großherzoglichen Katasteramtes ist der Flurname Jostwiese im Jahr 1898 eingetragen.

Während die Einkünfte der Jost Kapelle erhalten blieben, sah es mit dem Gebäude der Kapelle anders aus. Es wurde seit der Einführung der Reformation nicht mehr als Gotteshaus benötigt. Im Kompetenzbuch des Darmstädter Superintendenten Peter Voltzius steht 1557, dass die „Kapelle zu St. Jost im Wald, welche zu der Pfarrei Bieberau gehört, [...] abgebrochen (ist).“ Der Niedergang der Kapelle dürfte sich jedoch länger hingezogen haben.

Noch 1818 wird von einem Torbogen berichtet, der in diesem Jahr abgebrochen wurde. Die Grundmauern standen 1862 noch, so dass der Umfang der Kapelle ziemlich genau zu verfolgen war. Die Steine der Jost Kapelle fanden „laut Lehrer Ludwig Oldendorf“ in den Umbauten der Hofreiten „Dawe“(heute Pollak), „Martins“(heute Hermanns) und der Mühle (heute Röder) im 19. Jahrhundert ihre Wiederverwendung. Aus dem Jahr 1879 existiert eine „Parzellenkarte über die Güter des Hospitals Hofheim in der Gemarkung Niedernhausen“ erstellt von Philipp Keil, Geometer III. Klasse. (Staatsarchiv Darmstadt: P 1342/1-5). Verzeichnet sind hier das Spitalfeld und die Jostwiesen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Lehrer Ludwig Oldendorf, der das Geschichtsbewusstsein in seinen Schülern weckte und die Umgebung von Niedernhausen erkundete. Er unternahm mit seinen Schülern, Spaten und Spitzhacke immer wieder Wanderungen in das Gebiet um die Jostwiesen und suchte im Boden nach den Überresten der St. Jost Kapelle. Ihm widmete die Gemeinde Fischbachtal oberhalb der St. Jost Ruine, die sog. Oldendorf-Ruhe, die 1990 durch die Errichtung der ehemaligen Altarplatte aus der St. Johannes der Täufer Kirche an der St. Jost Ruine ergänzt wurde. Hier feiert die ev.-luth. Kirchengemeinde alljährlich ihren Gottesdienst an Christi Himmelfahrt.

Benutzte Quellen und Literatur:

  • Staatsarchiv Darmstadt: Kellerei-Rechnungen Lichtenberg
  • Staatsarchiv Darmstadt: Abtlg. XIII, 3. Konv. 50.
  • Becher, Wolfram, Eine Urkunde zur Geschichte der Herren von Crumbach/Rodenstein. In: Der Odenwald, Heft 3, 18. Jahrgang 1971, S. 73.
  • Colmar, Hans Ulrich, Aus Niedernhausens Vergangenheit, hrsg. von der Gemeinde Fischbachtal, Fischbachtal 1994.
  • Kunz, Rudolf, Weistum des Märkergerichts zu Niedernhausen unter Lichtenberg. In: Der Odenwald, 1969, Heft 3, S. 8 ff. Das Weistum vom 21.9.1507, s. Staatsarchiv Darmstadt: Abtlg. XIII, 3. Konv. 50.
  • Wagner, Georg Wilhem Justin, Statistik und Topographie des Landrathsbezirks Reinheim im Großherzogthum Hessen, Darmstadt 1827, S. 165-166

(Dr. Jutta Reisinger-Weber M.A.)

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